Der Export von Hamburger Bier im Spätmittelalter I
Während man heute Bayern für das führende Bierland hält, sahen die Verhältnisse im Spätmittelalter deutlich anders aus. Gerade Hamburg war nicht nur einer der größten Bierproduzenten der Zeit, sondern wahrscheinlich auch einer der größten Exporteure. Von den 1075 in Hamburg um 1376 ansässigen Kaufleuten, waren 457 Bierbrauer, das sind immerhin 43%. Davon brauten 126 von ihnen ausschließlich für Amsterdam und 55 für die damals durch Getreideimporte wichtige Stadt Stavoren. Richard W. Unger hat aus verschiedenen Quellen eine Tabelle über Produktion und Export von Hamburger Bier im Spätmittelalter zusammengetragen.
Diese Mengen sind nach heutigem Maßstab natürlich gering. Die Holsten-Brauerei z.B. hat sich mit ihrem neuen Standort gegenüber der Vergangenheit verkleinert und kommt trotzdem noch auf eine Kapazität von einer Million Hektoliter pro Jahr. In Anbetracht von Astra, Carlsberg und den vielen jungen Brauereien in Hamburg wirken die maximal 375 000 Hektoliter des Spätmittelalters winzig. Natürlich sind die Zahlen nicht vergleichbar und erst recht nicht die Brauereien, wenn man von solchen im 14. und 15. Jahrhundert überhaupt sprechen kann. Konzentrieren wir uns also wieder auf das Hamburg der Vergangenheit.
Hamburgs Position im Bierhandel war so signifikant, dass zum einen jedes Bier, das auch nur annähernd aus der Region kam (inkl. Bremen!) in den Niederlanden als „Hamburger Bier“ gehandelt wurde. Und zweitens wurde das Hamburger Bier synonym mit gehopftem Bier. Hamburg profitierte stark von seiner Lage und der Möglichkeit das Bier über den Seeweg zu exportieren. Mit Ausnahme unruhiger Zeiten durch Pest und Piraterie in der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der Landweg gemieden, bedeutete er doch durch Zölle und weitere Kosten einen Preisanstieg des Bieres von 25-70%. Pro Jahr wurden 5600 Tonnen Bier in die Niederlande gesegelt, was ungefähr 110-140 Schiffsfahrten entspricht. Nach Erhebungen 1399/1400 und 1417/1418 wanderte der Bierhandel von den Brauern selbst zu finanzkräftigeren Kaufleuten, gleichzeitig stieg die Anzahl der Brauer von 457 auf 520. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in dieser Zeit das Bier 40-50% der Hamburger Gesamteinkünfte darstellte. Und da können dann plötzlich die großen Brauereien von heute nicht mehr mithalten.
Literatur:
Richard W. Unger: Beer in the Middle Ages and the Renaissance, Philadelphia 2004, S. 60-64.
Ian S. Hornsey: A History of beer and brewing, Cambridge 2003, S. 271f.
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Holsten-Brauerei-nimmt-Betrieb-in-Hausbruch-auf,holsten154.html